Es gäbe nicht die geringste Möglichkeit,

den Tod näher kennen zu lernen,

wenn er nur ein einziges Mal einträte.

 

Aber zum Glück ist das Leben nichts anderes

als ein andauernder Tanz von Geburt und Tod,

der Tanz des ewigen Wandels.

 

Jedes Mal, wenn ich das Rauschen eines Gebirgsbaches höre,

die Brandung des Meeres oder meinen eigenen Herzschlag,

immer höre ich den Klang der Vergänglichkeit.

 

Diese Veränderungen, diese kleinen Tode

sind unsere lebendige Verbindung mit dem Tod.

 

Sie sind der Puls des Todes, sein Herzschlag, der uns drängt,

alles - woran wir hängen - loszulassen.

 

~ Sogyal Rinpoche ~

 

 

Die folgende Geschichte

habe ich auf Grund von Fragmenten aus meiner Erinnerung nacherzählt...

 

 

 

Das schnellste Pferd

 

Ein großer König saß eines Abends ganz entspannt in seinem Sessel vor dem Kaminfeuer. Er hatte einen ereignisreichen und anstrengenden Tag hinter sich.

Die Sonne senkte sich gerade hinter den Hügeln, als plötzlich der Tod neben ihm stand.

Der sagte in ruhigem dunklen Ton: "Ich will dich nicht erschrecken, aber morgen um die gleiche Zeit werde ich dich abholen."

Kaum hatte er das gesagt, war er auch schon wieder verschwunden.

 

Der König war im Gesicht aschfahl geworden, vor lauter Schreck über diese Begegnung.

Er läutete sofort nach seinen Leuten, die unverzüglich die wichtigsten Männer des Landes herbei riefen.

Diese debattierten lange und laut, aber kein einziger von ihnen wußte einen Rat.

Dann ließ der König die weisesten Männer des Landes rufen.

Aber auch diese konnten ihm nicht raten.

 

Plötzlich kam sein Diener und sagte, es sei schon spät und er solle doch das schnellste Pferd nehmen, um die Grenzen des Landes hinter sich zu lassen und sich so in Sicherheit zu bringen.

 

Der König hatte den ganzen Tag über keine annähernd so gute Idee gehört, verlor auch keine Zeit und eilte schnellen Schrittes zu den Stallungen.

In Windeseile hatte ihm sein Diener das schöne Pferd gesattelt.

 

Der König war reich und mächtig und verstand viel von Pferden. Schließlich waren sie das schnellste Transport- und Reisemittel.

Und es war noch nicht lange her, daß er das schnellste Pferd des Landes erstehen und jetzt sein Eigen nennen konnte.

 

Kurz entschlossen schwang er sich auf´s edle Pferd, gab ihm die Sporen und galoppierte sofort los in Richtung auf die nächstliegende Grenze seines Landes.

Der Mann gab alles, um die Grenze vor Sonnenuntergang zu erreichen und gönnte weder sich noch seinem Pferd die kleinste Verschnaufpause.

 

Es war nicht mehr viel Zeit, bis die Sonne untergehen würde, als er - fast am Ende seiner Kräfte - endlich über die Grenze seines Landes ritt.

Total verschwitzt, aber erleichtert glitt er vom Pferd und setzte ich unter einen Baum, um ein wenig auszuruhen.

 

Die Sonne ging gerade unter, als der Tod wieder neben ihm steht.

"Guter Mann", sagt er, "ich danke dir sehr, daß du dich nach Kräften bemüht hast, pünktlich hier zu sein. Ich hatte große Befürchtung, du würdest es nicht rechtzeitig schaffen und es war sehr klug von dir, das schnellste Pferd zu nehmen."

 

  ~~~~~~~~~~~~

 

 

Mit dem Tod hab ich nichts zu schaffen.

Bin ich, ist er nicht. Ist er, bin ich nicht.

 

~ sagt Epikur