Illusionen

 

 

"Das Leben ist nicht das, was geschah, sondern das, was wir erinnern und wie wir es erinnern."

...meint Gabriel Garcia Márquez

 

Nein, Gabriel Garcia, das Leben ist weder das, was geschah, noch ist es das, was wir erinnern oder wie wir es erinnern.

 

Das Leben ist das, was wir unmittelbar (er)leben, was wir bewußt wahrnehmen und was wir in diesem Augenblick bewußt tun – oder lassen. Das Leben findet immer nur JETZT statt.

 

Die Erinnerung ist nicht mehr

als eine verstaubter Filmrolle,

eine Art Illusions-Generator.

 

In der Erinnerung sind wir ungefähr so lebendig, wie an einem Abend im Kinosessel: Die Illusion bewirkt einen Nervenkitzel. Wir sind berührt oder aufgewühlt. Aber wirklich lebendig sind wir in dem Moment, wenn der Film reißt, wenn wir in die Bewußtheit fallen.

 

 

 

 

Gedächtnis

 

  

In unserer Gesellschaft ist das Erinnerungsvermögen stark mit Angst verknüpft, weil wir denken:

  • Wissen ist Macht.

  • Nichtwissen ist Ohnmacht.

 

Und Ohnmacht ist schon gleichbedeutend mit Existenzverlust, also mit Tod. 

 

 

Demenz schützt vor Streit. Wieso?

Streit setzt Erinnerungsvermögen voraus. 

 

 

 

 

Erinnerung  

 

 

Wir vergessen, weil wir müssen

und nicht, weil wir wollen.

 

...sagt Matthew Arnold

So ist es.

Denn weder das Erinnern, noch das Vergessen liegen in unserer Hand. Dem sind wir komplett ausgeliefert. Was aber kein Problem darstellt !  Es ist bloß einfach so.

 

Frage: "Was wäre so schlimm daran, wenn man nur gute Erinnerungen hätte?"

 

Das wäre nicht "schlimm", aber das gibt es nicht. Das kommt nicht vor. Denn Erinnerungen sind nur Erinnerungen – ganz unschuldig. Die UnterScheidung in "gute" und "schlechte" Erinnerungen nimmt erst der bewertende Verstand vor.

 

Stephen King: „Erinnerungen sind widerborstig; hört man auf, ihnen nachzujagen, und kehrt ihnen den Rücken zu, kommen sie oft von allein wieder zurück.“

 

Der Herr King hat Recht:  Wir haben es nicht in der Hand, ob und wann uns eine Erinnerung erreicht.    

 

Wir haben die nette Idee, unser Leben kontrollieren zu können; wir mögen diese Illusion.

 

Irgendwann – etwa gegen Ende des dritten Lebensjahres – fängt als Teil unseres Egos auch das Gedächtnis zu funktionieren an.

Und irgendwann – spätestens auf dem Totenbett – verschwindet unser Ego wieder und mit ihm das gesamte Erinnerungsvermögen. Manchmal zieht es sich auch schon früher sukzessive zurück.

 

Das Gedächtnis ist eine temporäre

und... unzuverlässige Erscheinung.

 

Jemand hat gestern noch ganz wichtige Vorträge über Goethe, Schiller, Shakespeare - oder sonst wem gehalten. Heute steht er vor einem ihrer Portraits und fragt: "Wer ist das?" 

 

Wenn Kollege Alzheimer an die Tür klopft, sagt er bloß und ganz lapidar: "Vergiß es!" Er rückt die Wichtigkeiten neu zurecht.

 

Wir definieren uns, geben uns unseren Wert über das Gedächtnis und glauben, daß wenn uns möglicherweise sonst alles genommen wird - die Erinnerung wird uns bleiben. Sie ist unsere Identität: Das, was wir zu sein glauben. Dem ist aber nicht so; auch die... geht über kurz oder lang flöten. Sie bröckelt ständig.

 

Daher das Bedürfnis, Memoiren zu schreiben: So (meint man) kann man bei Bedarf noch mal in seinen eigenen Aufzeichnungen nachblättern und die vermeintliche Identität noch ein bißchen länger am Leben erhalten.

 

Wir haben es nicht in der Hand, was wir

vergessen und was wir(wann) erinnern.

 

Außerdem ist es ein Segen, daß wir fast (!) alles vergessen. Wir wären binnen weniger Minuten verrückt, würden wir nicht vergessen können. 

 

Intellektualität...

hat keinen Wert.

 

Intellektualität = ist, Vorurteile und (Halb-)Wissen mit Ego-gesteuertem Habitus (Rhetorik) kommunizieren.

 

B e w u ß t h e i t  ist...

eine andere Kategorie.

 

Wir können bewußt sein; auch dann, wenn uns Sprach- und Erinnerungs-Vermögen verlassen (haben).

 

Aber weil Bewußtheit nicht kommunizierbar ist, halten wir sie, dem vermeintlichen „Wissen“ gegenüber, dummerweise für wertlos.

 

 

 

Jean Paul, Erinnerung, Paradies, Nirmalo

...sagt Jean Paul

 

Das ist ein fataler Irrtum, lieber Jean, denn alles, was uns gegeben wurde – wirklich alles – wird uns auch wieder genommen. Frag mal den Herrn Hiob, der kennt sich da aus. 😉 Es ist bloß eine Frage der Zeit.

 

Alles, was einen Anfang hat, findet auch sein Ende.

Nur das, was nie einen Anfang hatte, bleibt uns, ist unsere Natur.

 

Nur das, was wir bereits „hatten“, als wir (uns) in dieses Leben stürzten, „behalten“ wir auch beim Wiederaustritt.

 

Jean, wie kannst du etwas, das wieder von uns abfällt, das also keine Beständigkeit hat, ein Paradies nennen? Ok, dir scheint Erinnerung sehr wichtig zu sein für manch anderen aber ist sie... die Hölle.

 

Unser Gedächtnis ist eine Art Abfalltonne; eine Blackbox, angefüllt mit verstaubten und brüchigen Geschichten ohne Wert.  

 

Es ist der Verstand, der Erinnerungen für wichtig erklärt; er kann sich in ihnen stundenlang suhlen. Er ist es auch, der, wann immer er kann, die Gegenwart meidet und – schneller als der Wind – ins Gedächtnis flüchtet.

Aber das Leben... findet  n u r  im gegenwärtigen Moment statt.

 

Lebenswert ist nur...  

d i e s e r  Augenblick.

 

 

 

 

Vergesslichkeit

 

 

 

   Erinnerung

ist eine Form der Begegnung.

V e r g e s s l i c h k e i t

ist eine Form der Freiheit.

 

~ Khalil Gibran ~ 

 

 

Einwand: "Wer alles vergißt, was er gelesen oder gedacht hat..."

 

Wat wech is, is wech.

 

Wenn du alles vergißt, was du je gelesen und gedacht hast, bist du im Moment, befindest du dich im Herzen der Intelligenz.

 

Wer Angst hat vor der Demenz,

sollte schleunigst mit dem Meditieren anfangen. 🙂

 

In der Meditation...

vergißt man, was man je gelesen oder gedacht hat.

 

Das ist Sinn und Zweck der Meditation.

Die Bewußtheit bekommt ihren Raum.

 

Einwand: "Ich sprach deshalb auch vom Vergessen-wollen."

 

Du kannst zwar vergessen wollen, aber das ist ziemlich dumm.

Warum? Weil das gar nicht geht. 🙂

 

Frag mal die Männer, die in Kriegseinsätzen getötet haben, weil sie glaubten, daß es ok. wäre, zu töten, wenn man es ihnen nur befiehlt.

 

Sie würden soooo gerne vergessen.

 

Wir haben weder Macht

über unser Erinnerungsvermögen,

noch haben wir Kontrolle über das Vergessen.

 

 

 

 

Erinnerung & Wahrheit

 

 

„Weil sich unser Blick mit jedem Moment verändert, sehen wir niemals die Wahrheit wenn wir zurückblicken. Wir sehen die Vergangenheit mit dem Blick von jetzt. Darum ist jede Erinnerung Unwahrheit weil der Blick von damals ein anderer Blick als der von heute ist. Wollten wir die Erinnerung in ihrer tatsächlichen Wahrheit erinnern, so müssten wir diese mit dem Blick von damals betrachten, was ganz und gar unmöglich ist. Aus diesem Grund ist es müßig über irgendeine Erfahrung in der Vergangenheit nachzudenken oder sich einzubilden dass man es hätte besser machen können. Es war wie es war und wäre anders nicht möglich gewesen.“

― Salia

 

 

 

Kommt ein alter Mann zum Arzt: „Herr Doktor, ich habe Probleme mit dem Gedächtnis.“

Der Arzt: „Dann erzählen Sie mal.“

Der Mann: "Ich laufe noch immer hinter den jungen Mädchen her.“

Und das in Ihrem Alter?“, fragt interessiert der Arzt, „aber... was hat das denn mit dem Gedächtnis zu tun?“

Das ist doch das Problem, Herr Doktor, ich weiß nicht mehr, warum?!“  

 

                                                                                               Warum ich lache?

Hab ich vergessen.