Charakter

 

  

Der Charakter offenbart sich nicht an großen Taten; an Kleinigkeiten zeigt sich die Natur des Menschen.

 

...sagt Jean-Jacques Rousseau.

 

Man kann in etwa erahnen, lieber Jean-Jacques, was du wohl unter „Charakter“ verstehst, unter der „Natur des Menschen“, aber...

 

In Wirklichkeit... 

gibt es keinen Charakter.

 

Hinter seinem Begriff steht die Idee, daß der Mensch in seiner Art zu werten und zu handeln, fixiert sei. Daß er sich in einer festgelegten Spur befände, daß es sich lediglich entweder um einen „guten“ oder um einen „schlechten“ Charakter handele. Aber dem ist nicht so. Denn...

 

Der Mensch ist frei !

(Allerdings weiß das kaum jemand :-)

 

Denn solange ein Mensch unbewußt ist, bleibt er meist in seiner eingefahrenen Spur, ist er im Reden und Handeln gewissermaßen einschätzbar, vorhersagbar.

 

Daraus schließen wir fälschlich, daß wir ihn „kennen“, daß er berechenbar sei. An dieser Idee – der Unfreiheit des Menschen – erfreut sich unser Kontrollbedürfnis, dessen Basis die ANGST ist.

 

Aber manchmal heißt es: „Das hätte ich nie von ihm gedacht!“ Dann hat jemand die Schiene verlassen, ist ausgespurt, bekommt dafür den Zorn der Gesellschaft zu spüren. Man spricht jetzt von einem sehr schwachen oder schlechten Charakter.

Beim unbewußten Menschen greift hier dann auch noch die Konditionierung „Schuld“: Er fühlt sich schuldig.

 

Einen bewußten Menschen, der sich nicht im Rahmen des Kanons unserer Werte bewegt, nennt man vielleicht charakterlos – was die Sache sehr genau träfe – meint es aber ebenso anklagend.

 

Der bewußte Mensch

ist seiner Natur nach

charakterlos.

 

Er ist kein Opfer solcher Art Zwänge, auch dann nicht, wenn er zeitlebens nicht an den Ordnungsstrukturen rührt und alle Verhaltens-Erwartungen erfüllt.

 

Er befindet sich selbst dann jenseits dessen, was wir Charakter nennen, wenn andere ihm einen guten solchen attestieren.

 

Bewußtheit

wirft uns sofort aus der Spur,

sie zeigt uns unsere Freiheit,

sie macht uns unkalkulierbar.